Uluzzien

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Als Uluzzien wird eine archäologische Kultur bezeichnet, die bis 2011 dem Mittelpaläolithikum, seither dem Jungpaläolithikum zugeordnet wird, damit nicht mehr dem Neandertaler sondern dem anatomisch modernen Menschen. Letzteres gilt allerdings nur unter der Annahme, dass die früheren Bewohner durch die späteren verdrängt wurden. Dagegen vertritt etwa Robert G. Bednarik die These, dass es auch zu einer kulturell bedingten, grazileren Körperform gekommen sein könnte.[1] Auch wurde 2015 die Zuweisung zum Jungpaläolithikum in Frage gestellt, die zum Mittelpaläolithikum nahegelegt.[2]

Insgesamt sind mehr als zwanzig Uluzzienfundorte in Italien bekannt, ein möglicher weiterer Fundort befindet sich auf dem Peloponnes. Datiert wurde das Uluzzien in die Zeit zwischen 45.000 und 37.000 BP. Der Name der Kultur geht auf Uluzzo im südlichen Apulien zurück, wo entsprechende Funde Anfang der 1960er Jahre in der Grotta del Cavallo gemacht wurden.

Das Uluzzien wurde vielfach als „Übergangsindustrie“ bezeichnet. Demnach lag es zwischen dem Moustérien, in dem noch Neandertaler existierten, und dem Aurignacien, in dem der anatomisch moderne Mensch in Europa erschien. Arturo Palma di Cesnola hatte 1964 zwei Zähne in der Uluzzienschicht der Grotta del Cavallo entdeckt. Sie wurden lange Neandertalern zugewiesen, doch konnte Stefano Benazzi von der Universität Wien 2011 nachweisen, dass es sich um Zähne eines anatomisch modernen Menschen handelt.

Grabungen in der Grotta di Fumane in Venetien, 2014
Profil mit Kennzeichnung der Straten im Eingangsbereich der Fumane-Höhle

Das Uluzzien fand sich bis 2007 nur im Süden der Halbinsel, doch fanden sich Uluzzienanzeichen in diesem Jahr auch in der Grotta della Fabbrica in der toskanischen Maremma.[3] Wichtigste Fundorte in Apulien sind neben der besagten Grotta del Cavallo die Grotta Bernardini und die Grotta Riparo di Uluzzo; in Kampanien sind dies die Cala- und die Castelcivita-Höhle – letztere weist ein Alter von 32.500 bis 33.500 Jahren auf. Die Ähnlichkeit mit Funden in der Klisoura-Höhle auf dem Peloponnes ist inzwischen umstritten. In der Grotta di Fumane 18 km nordwestlich von Verona fanden sich Malereien, die dem Uluzzien angehören.[4] Auch fanden sich dort während der Grabungen zwischen 1989 und 2011 insgesamt vier Zähne, von denen drei dem Mousterien (Fumane 1, 4, 5) und einer dem Uluzzien (Fumane 6) zugeordnet wurden. Dabei ließ sich Fumane 6 nicht sicher dem anatomisch modernen Menschen zuordnen.[5]

Neben den wenigen anatomischen Merkmalen und den Veränderungen in der Steinbearbeitung durch ein neues Konzept kam es auch zu Veränderungen im Umgang mit den erbeuteten Tieren.[6]

Die Chronologie der Uluzzien-Technologie, wie sie sich in der Grotta Fumane darstellt, weist mit Blick auf Siedlungsdynamik sowie Stein- und Knochenverarbeitung eine erhebliche Veränderungsdynamik auf, denn ihre ältesten Artefakte stehen eher dem Moustérien nahe, die jüngeren dem Aurignacien. Die Abschlagindustrie basiert in der Frühphase auf der Levalloistechnik, die zunehmend durch Abschlagprozeduren verdrängt wird, durch die Abschläge und Klingen entstanden, aber auch Rückenmesser.[7]

Literatur

  • Katerina Douka, Thomas F. G. Higham, Rachel Wood, Paolo Boscato, Paolo Gambassini, Panagiotis Karkanas, Marco Peresani, Anna Maria Ronchitelli: On the chronology of the Uluzzian, in: Journal of Human Evolution 68 (2014) 1–13.
  • Julien Riel-Salvatore: What is a transitional industry? The Uluzzian of southern Italy as a case study, in: Marta Camps (Hrsg.): Sourcebook of Paleolithic Transitions. Methods, Theories, and Interpretations, Springer 2009, S. 377-396.
  • A. D'Alessio, E. Bramanti, Marcello Piperno, G. Naccarato, P. Vergamini, G. Fornaciari: An 8500-year-old bladder stone from Uluzzo cave (Trapani): Fourier Transform-Infrared spectroscopy analysis, in: Archaeometry 47,1 (2005) 127-136. (online)

Anmerkungen

  1. Robert G. Bednarik: The Middle-Upper Paleolothic Transition revisited, in: Marta Camps, Parth Chauhan (Hrsg.): Sourcebook of Paleolithic Transitions. Methods, Theories, and Interpretations, Springer, 2009, S. 272-282, hier: S. 279.
  2. João Zilhão, William E. Banks, Francesco d’Errico, Patrizia Gioia: Analysis of Site Formation and Assemblage Integrity Does Not Support Attribution of the Uluzzian to Modern Humans at Grotta del Cavallo, in: PLoS ONE 10 (2015) (online).
  3. Julien Riel-Salvatore: What is a ‘Transitional’ Industry? The Uluzzian of Southern Italy as a Case Study, in: Marta Camps, Parth R. Chauhan (Hrsg.): Sourcebook of Paleolithic Transitions. Methods, Theories, and Interpretations, Springer, 2009, S. 377-396, hier: S. 385.
  4. Alberto Broglio, Giampaolo Dalmeri: Pitture paleolitiche nelle Prealpi venete. Grotta di Fumano e Riparo dalmieri, Verona 2005.
  5. Stefano Benazzi, Shara E. Bailey, Marco Peresani, Marcello A. Mannino, Matteo Romandini, Michael P. Richards, Jean-Jacques Hublin: Middle Paleolithic and Uluzzian human remains from Fumane Cave, Italy, in: Journal of Human Evolution 70 (2014) 61–68.
  6. Paolo Boscato, Jacopo Crezzini: Middle–Upper Palaeolithic transition in Southern Italy: Uluzzian macromammals from Grotta del Cavallo (Apulia). In: Quaternary International, Online-Vorabveröffentlichung vom 31. März 2011, doi:10.1016/j.quaint.2011.03.028
  7. Marco Peresani, Emanuela Cristiani, Matteo Romandini: The Uluzzian technology of Grotta di Fumane and its implication for reconstructing cultural dynamics in the Middle–Upper Palaeolithic transition of Western Eurasia, in: Journal of Human Evolution 91 (2016) 36–56.