Serendipity

Entdeckung nach zufälliger Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem

Serendipity oder Serendipität, gelegentlich auch S.-Prinzip, bezeichnet nach Robert K. Merton eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und überraschende Entdeckung erweist.[1] Serendipity betont eine darüber hinausgehende intelligente Schlussfolgerung oder Findigkeit (bereit sein, den Zufall zu erkennen und ihn dann zu nutzen).[2] Serendipity als "Aktives Glück", Zusammenspiel von Zufall und menschlichem Handeln wird von Christian Busch als entscheidend für den Erfolg angesehen. Es geht nicht um "blindes Glück" (wenn man in eine gute Familie hineingeboren wird). Jeder verpasste Flug oder Spaziergang im Park könne zu einer Chance werden - für eine neue Freundschaft, ein neues Interesse oder sogar einen neuen Job.[3]

Definitionen und Abgrenzungen

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Steve Ayan[4] gibt ein Bonmot wieder, was Serendipity ausdrückt: Es ist, als würde man in einen Heuhaufen springen, um die berühmte Nadel zu finden, und mit der Tochter (oder dem Sohn) des Bauern herauskriechen. Das bedeutet, Wichtiges zu finden, was man gerade nicht suchte. Häufig liegt dem ein Scheitern zu Grunde. Der eigentliche Plan geht schief, doch dafür wird man mit anderem belohnt.[5]

Christian Busch unterscheidet drei Arten von Serendipity:[6]

  • Ein unerwarteter Weg zur Lösung der Problems, dass wir lösen wollten ("Archimedes-Serendipity"): Archimedes sollte herausfinden, ob die Krone eines Königs ganz aus Gold ist. Die Krone hatte das richtige Gewicht. In einem öffentlichen Bad stellt er fest, dass der Wasserspiegel steigt, wenn er hineinsteigt. Das bewegte Wasservolumen ist gleich dem eines untergetauchten Körper. Ist die Krone nicht aus reinem Gold, wüde sie mehr Wasser verdrängen.
  • Eine unerwarete Lösung für ein anderes Problem als das, welches man lösen wollte ("Post-It-Zettel-Serendipity"): Spencer Silver versuchte, einen stärkeren Klebstoff zu finden. Er fand aber eine Substanz, die nit besonders gut klebte. Papier damit beschichtet waren die "Post-It-Zettel.
  • Eine Lösung für ein unerwartetes oder unterfülltes Problen ("Blitzschlagserendipity")

Den Begriff "Pseudoserendipity" hat Roberts 1989 eingeführt. Er soll zufällige Entdeckungen von Wegen zur Erreichung eines angestrebten Ziels beschreiben, im Gegensatz zur Bedeutung von echter Serendipity, die zufällige Entdeckungen von Dingen beschreibt, die nicht angestrebt wurden.[7]

Ein Beispiel für Pseudo-Serendipität ist die Entdeckung des Vulkanisationsverfahrens durch Charles Goodyear: Er wollte dem Kautschuk die Elastizität nehmen, die ihn für viele Anwendungen ungeeignet macht. Der verwendete Kautschuk war zu weich und wurde bei Hitze klebrig, bei Kälte brüchig. Er war Autodidakt in Sachen Chemie. Er fügte dem Kautschuk verschiedene Materialien und Chemikalien zu, lange ohne Erfolg. Versehentlich lässt er ein schwefelbeschichtetes Stück auf einen Ofen fallen. Er wirft zunächst das erhaltene Gummi weg. Dies ändert sich, nachdem er verstanden hat, dass er gefunden hat, was er gesucht hat und lässt das Verfahren 1839 patentieren. Das Ziel wurde gesucht, der Weg war überraschend.

Denis Laborde schreibt 2009, dass der Begriff polysemisch ist: Serendipität kann ebenso gut ein Phänomen, eine Erfahrung, eine Fähigkeit, ein Fund, eine Wirkung, eine Inzidenz oder eine Gelegenheit sein.[8]

In diesem Zusammenhang fällt auch oft der von Louis Pasteur (1822–1895) geprägte Satz: Der Zufall begünstigt den vorbereiteten Geist. oder: Wer darauf vorbereitet ist, sieht das Glück eher.[9]

Verwandt, aber nicht identisch sind die weiter gefassten Redewendungen vom glücklichen Zufall oder Zufallsfund. Serendipity betont eine darüber hinausgehende intelligente Schlussfolgerung oder Findigkeit (bereit sein, den Zufall zu erkennen und ihn dann zu nutzen).[10]

Herkunft

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Horace Walpole

Erstmals verwendete der britische Autor Horace Walpole, 4. Earl of Orford (1717–1797), den Begriff in einem Brief vom 28. Januar 1754 an seinen in Florenz lebenden Freund Horace Mann und sprach 'von einem unvermuteten glücklichen Fund eines bestimmten Wappens in einem alten Buch'. Dieses Phänomen nannte er in Anlehnung an ein Märchen „Serendipity“.[11][12]

Das Märchen „Drei Prinzen aus Serendip“ des persischen Dichters Amir Khusrau (1253–1325), tauchte in Europa erstmals im 16. Jahrhundert in Übersetzungen auf. Drei Prinzen machen viele unerwartete Entdeckungen auf einer Wanderschaft in Vorbereitung auf ihr Amt. Sie verbanden einzelne Eindrücke, nach denen sie nicht gesucht hatten, zu sinnvollen Erzählungen.[11][13]

Serendip bzw. سرنديب / Sarandīb ist eine alte, von arabischen Händlern geprägte Bezeichnung für Ceylon, das heutige Sri Lanka, und hat ihre Wurzeln im alten Sanskrit-Namen der Insel, Simhaladvipa.[14]

Die Verbreitung, die der Begriff vor allem in wissenschaftlichen Kreisen erhielt, geht mindestens auch auf den US-amerikanischen Soziologen Robert K. Merton (1910–2003) zurück. Er findet sich in seinem mit Elinor Barber verfassten Werk The Travels and Adventures of Serendipity.[15]

Serendipity in der Wissenschaft

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Das Wort wurde von der literarischen in die wissenschaftlich Welt in den 1940er Jahren übernommen. Der Physiologe Walter Bradford Cannon betitelte 1945 ein Kapitel seines Buches The Way of an Investigator mit Gains from Serendipity (Gewinne durch Serendipity) und gibt folgende Definition: „Die Fähigkeit oder die Chance, unerwartet Beweise für seine Ideen zu finden, oder überraschend neue Objekte oder Beziehungen zu entdecken, ohne sie gesucht zu haben.[16]

Die Informationswissenschaftler Olivier Ertzscheid und Gabriel Gallezot haben 2003 den Begriff der Serendipität auf die Informationssuche angewendet. Sie unterscheiden die strukturelle Serendipität, die auf einer vorherigen Klassifizierung der Dokumente beruht, von der im unstrukturierten Web entwickelten assoziativen Serendipität, im Falle einer Suche, die beispielsweise mit einer Suchmaschine durchgeführt wird[17]

Naresh Kumar Agarval hat bezogen auf die Informationswissenschaften festgestellt: Serendipity oder zufällige Entdeckung von Informationen wurde oft vernachlässig und sich tendenziell auf die zielorientierte Informationssuche konzentriert. Durch die Einbeziehung von Serendipity in Informationsverhaltensmodelle sollten die erreichten Rahmenbedingungen zur weiteren Forschung in diesem Bereich beitragen.[18]

Bezogen auf die Pharmazie hält Thomas A. Ban fest: Serendipity ist einer der vielen Faktoren, die zur Wirkstoffforschung beitragen. Es hat sicherlich eine Rolle bei der Entdeckung der meisten Prototyp-psychotroper Medikamente gespielt. Der Entdeckungsprozess umfasst die Anerkennung des Potenzials der Ergebnisse auf der Grundlage des Wissens und der Vergangenheit, der Erfahrung.[19]

Psychologische Aspekte von Serendipity

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Steve Ayan gibt 2016 in spectrum einen Überblick über diese Aspekte:

Der kanadische Psychologe Kevin Dunbar dokumentierte ein Jahr lang die Arbeit in vier molekularbiologischen Labors. Die Gespräche drehten sich mehr als viermal so häufig um unerwartete Resultate als um das, womit man rechnete. Die Mehrzahl der Versuchsergebnisse widersprach den Hypothesen.

Dunbar bestätigte damit den Befund von Robert K. Merton, der in den 1940er Jahren Wissenschaft als ein System beschrieb, welches bedeutsame Zufälle provoziere. Experimentierfreude gepaart mit genauer Beobachtung und der Bereitschaft, auch vermeintliche Fehlschläge auszuloten, seien eine Grundlage neuer Erkenntnisse.

Der Sozialpsychologe Mitja Back untersuchte mit seinem Team, wie Freundschaften entstehen. Studienanfänger wurden per Los in einem Hörsaal verteilt. Dann stellte sich jeder kurz vor, und die anderen gaben in einem Fragebogen an, wie sympathisch sie die jeweilige Person fanden. Am Ende hatte jeder jeden bewertet. Ein Jahr später wurde geschaut, wer miteinander befreundet war. Dies hing weit weniger von den Sympathiewerten ab als von der Platzierung! Wer zufällig nebeneinandergesessen hatte, war im folgenden Jahr besonders »dicke«.

Der Informationswissenschaftler Naresh Agarwal[20] postuliert aus einer Literaturübersicht 2015, Serendipität basiere vor allem auf zwei Faktoren: »preparedness« und »noticing« – für den Wink des Zufalls bereit zu sein und ihn im richtigen Augenblick zu bemerken.

Sanda Erdelez[21], ebenfalls Informationswissenschaftlerin, nennt aufgrund von Interviews über unverhoffte Glücksfälle diejenigen, die von vielen solcher guten Fügungen berichteten, »Super-Encounterer« (englisch: to encounter = begegnen, auf etwas stoßen). Drei Dinge kennzeichneten sie: Sie lassen sich leicht auf Abwege führen, entscheiden schnell, was sie interessiert und was nicht, und sie haben keine Angst zu scheitern. Neugier, Flexibilität und Frustrationstoleranz seien die Kernkompetenzen der Glückspilze.[5]

Der Psychoanalytiker W. N. Evans gibt 1963 eine Interpretation der Serendipität gegen den Strom derer, die darin ein Zeichen der Offenheit und als Entdeckungsmotor sehen. Aus seiner therapeutischen Erfahrung sieht er im mentalen Prozess, der glückliche und unerwartete Entdeckungen hervorruft, ein neurotisches Symptom. Der Patient entdeckt das Unerwartete, um nicht herauszufinden, was er wirklich sucht, sondern was sein Unbewusstes zensiert.[22] Umgekehrt ist der Franzose Didier Houzel 1987 der Ansicht, dass man sich vom Unerwarteten ergreifen lassen muss, damit der psychoanalytische Prozess in Gang kommt, um dem Patienten zu helfen, das verlorene Objekt wieder aufzubauen. „In der Dynamik des Transfers wird unsere Serendipität auf die Probe gestellt, dort wartet das Unerwartete auf uns und überrascht uns.[23]

Bei der Entwicklung der EMDR-Therapie 1987 spielte Serendipity eine Rolle. Ihre Entdeckerin Francine Shapiro hatte Krebs und wollte sich von dem Schmerz entlasten. Bei einem Spaziergang bemerkte sie, dass die Bewegung ihrer Augen es ihr ermöglichte, weniger negative Emotionen darüber zu spüren. Suche, Zufall, Scharfsinn, alle Elemente der Serendipität waren vereint.[24]

Bekannte und bedeutende Beispiele

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Bekannte Beispiele für Serendipität bzw. die dafür aufgeführt werden, sind:

Erfindungen, Entwicklungen

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  • 1860 Linoleum: Zahlreichen Quellen zufolge entdeckte Frederick Walton das Linoleum durch einen Zufall: Bei Arbeiten zur Entwicklung schnelltrocknender Farben sah er auf einer Dose mit Farbe auf Leinölbasis eine feste gummiartige Schicht oxidierten Leinöls. 1860 ließ er einen Prozess zur Herstellung des Linoxins patentieren, bei dem Leinöl der Luft ausgesetzt wurde und sich durch Oxidation verdichtete. Walton versuchte, das von ihm neu entwickelte Linoxin auf Gewebebahnen aufzutragen und so einen Ersatz für Kautschuk zu bekommen. 1863 stellte er sein erstes Stück Linoleum her und ließ das Verfahren im Jahr darauf patentieren.
  • 1890 Entdeckung des Benzolrings: August Kekulé arbeitete lange erfolglos an einem der großen ungelösten Rätsel der Chemie. Doch der Aufbau des Benzol-Moleküls erschien ihm erst im Traum. Meyer-Galow beschreibt das genauer und stellt auch einen Zusammenhang mit Intuition her. Jede Idee aber, die uns als Glücksfund trifft, habe als Vorläufer die Intuition und unsere Öffnung für die Intuition.[25]
  • 1895 die Entdeckung der Röntgenstrahlung durch Wilhelm Conrad Röntgen. Er entdeckte die Strahlung, als er fluoreszenzfähige Gegenstände nahe der Röhre während des Betriebs der Kathodenstrahlröhre beobachtete, die trotz einer Abdeckung der Röhre (mit schwarzer Pappe) hell zu leuchten begannen. Er hat die Bedeutung früh erkannt und diese als Erster wissenschaftlich untesucht.
  • 1904 oder 1908 Teebeutel: Thomas Sullivan hat den Vorläufer des heutigen Teebeutels entwickelt, um Gewicht beim Versand von Teeproben zu sparen. Um keine Blechdosen zu verwenden, füllte er den Tee in kleine, platzsparende Seidenbeutel und verschickte sie an Kunden. Diese nutzten die Beutel, indem sie sie ganz in das Wasser eintauchten, in dem Glauben, dass dies so von Sullivan vorgesehen sei.
  • 1905 wurde Eis am Stiel durch Frank Epperson in den USA erfunden, als er ein Glas Limonade mit Löffel versehentlich im Freien stehen ließ – die Limonade gefror über Nacht zu Wassereis. Erst 1923 hat er es patentiert.
  • 1928 erfolgte die Entdeckung des Penicillins. Alexander Fleming hatte vor den Sommerferien eine Agarplatte mit Staphylokokken beimpft und dann beiseite gestellt. Bei seiner Rückkehr entdeckte er, dass auf dem Nährboden ein Schimmelpilz (Penicillium notatum) wuchs und sich in der Nachbarschaft des Pilzes die Bakterien nicht vermehrt hatten. Er erforschte dies weiter - kam alledings selbst nicht auf die Idee, das als Medikament einzusetzen.
  • 1938 wurde Teflon von Roy Plunkett entdeckt. Als er auf der Suche nach Kältemitteln für Kühlschränke mit Tetrafluorethylen experimentierte, entdeckte er in seinem Reaktionsgefäß „farblose Krümel“. Er verfolgte das weiter und erhielt 1941 das Patent für Teflon. (Polytetrafluorethylen bzw. PTFE). Da es teuer war, wurde es als Korrosionsschutz bei der Uran-Anreicherung verwendet. 1954 kam Colette Grégoire (mit dem französischen Chemiker Marc Gregoire verheiratet) auf die Idee, Töpfe und Pfannen damit zu beschichten.
  • 1941 Silikon: Richard Müller führte Experimente in der Radebeuler Chemischen Fabrik v. Heyden durch, dem späteren Arzneimittelwerk Dresden. Er habe schon im Jahr 1932 die Idee gehabt, einen künstlichen Nebel zu erfinden, um ganze Städte damit einzuhüllen, falls es jemals wieder einen Krieg geben würde. Heraus kam immer nur ein schneeweißes Gas. Nach jahrelangen Versuchen führte er die Untersuchungen in eine andere Richtung fort. Da habe er schließlich eine zähe weiße Masse – das Silikon entdeckt. Parallel zu ihm entwickelte der US-amerikanische Chemiker Eugene G. Rochow das gleiche Verfahren. Da beide unabhängig voneinander ihre Entwicklung durchführten, wird dieses Verfahren heute Müller-Rochow-Synthese genannt. Rochow ist ggf. auf anderem Wege dazu gekommen.
  • 1942 Sekundenkleber: Harry Coover experimentierte mit den im Flugzeugbau verbreiteten durchsichtigen Acrylat-Kunststoffen und ersetzte eine Methylgruppe durch eine Cyanogruppe. Die extreme Klebrigkeit der Substanz, die bei der Verarbeitung störte, verhinderte zunächst ihren industriellen Einsatz. Coover arbeitete später bei der Firma Tennessee Eastman mit Fred Joyner zusammen und erinnerte sich 1951 wieder an seine alte Entdeckung. Joyner versuchte zunächst das Material für Düsenjet-Cockpits als hitzebeständige durchsichtige Beschichtung zu verwenden und verklebte aus Versehen zwei Linsen in einem teuren Laborgerät, das er so ruinierte. Coover erkannte daraufhin die Bedeutung als Sofortkleber.
  • 1943 LSD 1938 stellte Albert Hofmann in Basel erstmals Lysergsäurediethylamid (LSD) her. Sein Ziel war aber die Entwicklung eines Kreislaufstimulans. Nachdem diese Wirkung im Tierversuch nicht eintrat, archivierte er seine Forschungsergebnisse. Am 16. April 1943 begann er erneut, LSD-Wirkungen zu prüfen. Bei seinen Arbeiten bemerkte er an sich selbst eine halluzinogene Wirkung, die er zunächst nicht erklären konnte. Er wiederholte dieses Erlebnis am 19. April 1943 durch die Einnahme von 250 Mikrogramm Es stellte sich heraus, dass diese Menge bereits dem Zehnfachen der normalerweise wirksamen Dosis entsprach. Dieses Datum gilt heute als Zeitpunkt der Entdeckung der psychoaktiven Eigenschaften des LSD.
  • 1945 Mikrowellenherd: Percy Spencer entdeckte, dass Nahrung per Mikrowellenstrahlung erwärmt werden kann, als er Magnetrone für Radaranlagen baute. Als er gerade an einem Radargerät arbeitete, verspürte er ein seltsames Gefühl und bemerkte, dass ein Schokoriegel in seiner Tasche zu schmelzen begann. Er war nicht der erste, der dieses Phänomen bemerkte, allerdings war er als Inhaber von 120 Patenten mit Entdeckungen und Experimenten vertraut und verstand, was geschehen war: Das Radar hatte die Schokolade durch die Mikrowellenstrahlung geschmolzen. Popcorn war das erste Nahrungsmittel, das gezielt auf diese Weise zubereitet wurde, das zweite ein Ei – es explodierte vor den Augen der Experimentierenden.
  • 1955 Klettverschluss: Georges de Mestral unternahm mit seinen Hunden oft Spaziergänge in der Natur. Früchte der Großen Klette kamen mit dem Fell der Hunde in Kontakt und blieben darin hängen. Er legte die Früchte unter sein Mikroskop und entdeckte, dass sie winzige elastische Häkchen tragen, die auch bei gewaltsamem Entfernen aus Haaren oder Kleidern nicht abbrechen. Mestral untersuchte deren Beschaffenheit und sah eine Möglichkeit, zwei Materialien auf einfache Art reversibel zu verbinden. Er entwickelte den textilen Klettverschluss und meldete die textiltechnische Umsetzung 1951 zum Patent an.
  • 1964 Kosmische Hintergrundstrahlung: Die Entdeckung erfolgte zufällig durch Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson beim Test einer neuen empfindlichen Antenne, die für Experimente mit künstlichen Erdsatelliten gebaut worden war. In derselben Ausgabe des Astrophysical Journal, in der Penzias und Wilson ihre Ergebnisse veröffentlichten, interpretierten Robert Henry Dicke u. a. die Entdeckung bereits als kosmische Schwarzkörperstrahlung, in einer Arbeit, in der sie ihrerseits die Vorbereitung eines ähnlichen Experiments (bei anderen Wellenlängen) bekanntgaben, bei dem ihnen Penzias und Wilson zuvorgekommen waren.
  • 1968 Post-It Note: Sie entstand, nachdem der Spencer Silver einen Superklebstoff erfinden wollte, der allerdings leicht wieder abzulösen war. Mit dem Klebstoff wurden Boards bestrichen und Zettel einfach hingeklebt. 1974 erinnerten sich Art Fry und ein Kollege Silvers daran, trugen den Kleber auf Zettel auf und verhinderte so, dass seine Lesezeichen ständig aus den Notenblättern fielen.
  • Anfang der 1990er Jahre: Viagra. Das Medikament wurde für die Behandlung von Herzbeschwerden entwickelt, erwies sich dafür aber als wirkungslos. Einige Männer berichteten von mehreren Erektionen einige Tage nach Einnahme des Medikaments. Der zuständige Versuchsleiter sah in dieser Wirkung kein Potential. Die sexuelle Wirkung des Wirkstoffs wurde allerdings genauer betrachtet. Bei einer Studie an 300 Männern in England, Frankreich und Schweden berichteten 90 Prozent über Erektionen. Nebenwirkungen wurden kaum beobachtet. Am 27. März 1998 erhielt Pfizer von der US-Gesundheitsbehörde die Genehmigung, Viagra zu verkaufen.

Entdeckungen

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Der Dinosaurier Serendipaceratops wurde nach diesem Prinzip benannt, da seine Erstbeschreiber dies zunächst für das eines Theropoden gehalten haben, durch Zufall aber die Ähnlichkeit der Elle mit der von Leptoceratops fanden (von dem lediglich eine Elle gefunden wurde). Die Gattung ist nach diesem Zufall (Serendipity) sowie dem griechischen keratops (=„Horngesicht“) benannt.

Die Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus wird auch im Zusammenhang mit Serendipity oft genannt. Nach offizieller Theorie wollte er nach Indien (genauer nach China, was zu Indien gerechnet wurde). Er entdeckte aber Amerika auf seinen vier Reisen. Kolumbus habe zeitlebens nicht erkannt, dass es sich um einen anderen Kontinent handelte. Dies vertrat erst Amerigo Vespucci, nach dem Amerika schließlich benannt wurde. Den glücklichen Zufall hat Kolumbus nicht bemerkt.

Die US-amerikanische Kinoproduktion Weil es Dich gibt (Originaltitel: Serendipity) aus dem Jahr 2001 mit John Cusack und Kate Beckinsale in den Hauptrollen greift hier auf das Thema Serendipität zurück. In den USA hatte der Film am 5. Oktober 2001 Premiere, in Deutschland und der Schweiz kam er am 29. November 2001 in die Kinos.

Verwandte Konzepte

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Der Schriftsteller William Boyd prägte in seinem Roman Armadillo 1999 den Begriff Zemblanity für das Gegenteil von Serendipity: "unglückliche und erwartete Entdeckungen, die absichtlich gemacht werden". Die Ableitung des Namens stammt wahrscheinlich von Novaja Zemlja, einer (Doppel-)Insel wie Serendip, dem kargen Archipel, wo einst russische Atomtests stattfanden.[26][27]

Bahramdipity leitet sich direkt von Bahram Gur ab, wie es in The Three Princes of Serendip charakterisiert wird. Es beschreibt die Unterdrückung zufälliger Entdeckungen oder Forschungsergebnisse durch mächtige Personen und stammt von Toby J. Sommer.[28][29]

Literatur

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Commons: Serendipity – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. „the discovery through chance by a theoretically prepared mind of valid findings which were not sought for“. In: Robert K. Merton: Social Theory and Social Structure. The Free Press, Glencoe IL 1957, S. 12.
  2. Einführung in das Konzept von „Serendipity“ im RBB-Format „Ding an sich“ vom 15. September 2023 (auch zum Unterschied zwischen Zufall, Zufallsfund und Serendipity)
  3. https://www.yumpu.com/de/document/read/68730495/vsao-journal-nr-3-juni-2024 Christian Busch: Wie wir den Zufall auf unsere Seite bringen] Journal des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte Nr. 3, Juni 2024 S. 47
  4. Zur Person Steve Ayan auf spektrum.de
  5. a b Steve Ayan: Wie wir unserem Glück auf die Sprünge helfen. spectrum.de, Psychologie/Hirnforschung vom 7. Oktober 2016
  6. Christian Busch: Erfolgsfaktor Zufall] Murmann Publishers, Hamburg 2023, ISBN 978-3-86774-754-7.
  7. C. L. DÍAZ DE CHUMACEIRO: Serendipity or Pseudoserendipity? Unexpected versus Desired Results. Journal of Creative Behavior. Vol 29 2. 1995
  8. zit. nach A. Wyart und N. Fait_ Le hasard peut-il bien faire les choses? OpenEdition Journals (franz.) la sérendipité peut aussi bien être un phénomène, une expérience, une capacité, une trouvaille, un effet, une incidence, une opportunité
  9. Der Zufall begünstigt den vorbereiteten Geist auf zitate7.de
  10. Einführung in das Konzept von „Serendipity“ im RBB-Format „Ding an sich“ vom 15. September 2023 (auch zum Unterschied zwischen Zufall, Zufallsfund und Serendipity)
  11. a b Jakob Krameritsch: Geschichte(n) im Netzwerk-Medien in der Wissenschaft Band 43 S. 186
  12. Horace Walpoles Brief auf Gutenberg.org (TXT, 191 Letter 90 To Sir Horace Mann. vom 28. Januar 1754)
  13. The Three Princes of Serendip auf livingheritage.org (englische Nacherzählung in 2 Teilen von Richard Boyle 2000)
  14. C. Clayton Casson: Victory in Life: Twelve Principles for Success. AuthorHouse, 2007, ISBN 1-4343-0542-2, S. 229
  15. Riccardo Campa: Making Science by Serendipity. A review of Robert K. Merton and Elinor Barber’s The Travels and Adventures of Serendipity Journal of Evolution and Technology. 17(1), März 2998 S. 75–83
  16. Walter B. Cannon: The way of an investigator: A scientist's experiences in medical research. Norton 1945 für Internet Archive digitalsiert 2018. S. 68 ff
  17. Olivier Ertzscheid, Gabriel Gallezot: Chercher faux et trouver juste,. 1. Juli 2003 (cnrs.fr [abgerufen am 11. August 2024]).
  18. Naresh Kumar Agarval: Towards a definition of serendipity in information behaviour informationresearch, Vol. 20, No. 3 September 2015 (englisch)
  19. Thomas A. Ban: The role of serendipity in drug discovery Dialogues Clin Neurosci. 2006 Sep; 8(3): 335–344 (englisch)
  20. Naresh Agarwal Simmons University auf simmons.edu
  21. Sandra Erdelez auf sandraerdelez.com
  22. Société psychanalytique de Paris Auteur du texte: Revue française de psychanalyse : organe officiel de la Société psychanalytique de Paris. 1. Januar 1965, abgerufen am 11. August 2024 (deutsch).
  23. Houzel, „“, Journal de la psychanalyse de l'enfant, Nr. 4, 30. Oktober 1987.
  24. La thérapie EMDR comme sérendipité : une découverte due au hasard mais bien exploitée auf Therapie EMDR Nice (französisch), dt. Übers.: EMDR-Therapie als Serendipität: Eine Entdeckung, die zufällig, aber gut ausgenutzt wird
  25. Erhard Meyer-Galow: Geistesblitze, Bauchgefühle, Glücksfunde. CHR manager 9. November 2001
  26. Boyd, William. Armadillo, Kapitel 12, Alfred A. Knopf], New York, 1998. ISBN 0-375-40223-3
  27. Richard Boyle: Serendipity and Zemblanity himalag.com 12. März 2009
  28. Toby Sommer: Suppression of Scientific Research: Bahramdipity and Nulltiple Scientific Discoveries. Science and Engineering Ethics (2001) 7, 77-104 (Memento vom 26. November 2018 im Internet Archive; PDF)
  29. Toby J.Sommer: Bahramdipity and Scientific Research (Opinion) The Scientist 13[3]:13, 1. Februar 1999 (Memento vom 2. November 2001 im Internet Archive)