Bajonett

Stichwaffe zur Befestigung an einer Schusswaffe

Als Bajonett (nach der französischen Stadt Bayonne)[1] wird eine am Lauf von Schusswaffen zu befestigende Stichwaffe in Form eines langen Dorns oder einer Stahlklinge bezeichnet. Die heute üblichen Bajonette können auch als eigenständige Waffen (dann meist unter der Bezeichnung Kampfmesser) geführt werden, und bei Bedarf auf das Gewehr aufgepflanzt werden.

Bajonett
Angaben
Waffenart: Messer
Verwendung: militärische Waffe
Entstehungszeit: ca. 17. Jahrhundert
Einsatzzeit: ca. 17. Jahrhundert – aktuell
Ursprungsregion/
Urheber:
Frankreich
Verbreitung: weltweit
Gesamtlänge: ca. 40–80 cm, variierend
Klingenlänge: ab ca. 20–60 cm, variierend
Griffstück: Holz, Metall, Kunststoff
Listen zum Thema
Abbildung und Beschreibung einer chinesischen Vorderlader-Muskete mit aufgesetztem Bajonett aus dem Jahr 1606
Spundbajonett, aufgepflanzt auf Luntenschlossgewehr
Französisches Tüllenbajonett aus dem 19. Jahrhundert (oben)
unten: amerikanisches Modell, – aufgepflanzt auf Springfield Model 1861 Rifle Muskete
Deutsches Bajonett 98/05 von 1905 für das Gewehr 98
SKS mit Klappbajonett

Beschreibung

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Allgemeines

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Das Bajonett wird im ungenutzten Zustand in einer sogenannten Bajonetthülle neben anderen Waffen (z. B. Pistole) und Ausrüstungsgegenständen seitlich am Koppel getragen. Es kann aber auch wie beim Simonow SKS-45 an der Waffe fest installiert sein und in die Gebrauchsstellung ausgeklappt werden (Klappbajonett). Dann handelt es sich im strengen Sinne des Wortes nicht mehr um ein Seitengewehr.

Als Aufpflanzen bezeichnet man das Befestigen einer Stichwaffe an einer Schusswaffe mit langem Lauf (Gewehr). Damit hat man eine zweite Angriffs- beziehungsweise Verteidigungswaffe. Im Nahkampf ist es dadurch möglich, das Gewehr auch als Stich- oder Stoßwaffe zu verwenden. Diese Waffenform gibt es seit den Vorderladergewehren (Spundbajonett) und wird bis zu den heutigen, modernen Gewehren (M-9) fortgesetzt.

Befestigung

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Arretierknopf an einem Bajonett, unten rechts, am Knauf

Das Bajonett wird an der Waffe an der sogenannten Aufpflanzvorrichtung angebracht (auch Bajonetthalter oder Bajonetthaft genannt). Es ist das Bauteil an der Waffe, auf den das Bajonett aufgeschoben und arretiert wird. Die Aufpflanzvorrichtung kann schienen-, bolzen- oder stabförmig sein.

Der Bajonetthalter ist heute eine Profilschiene, die unter einem Gewehrlauf angebracht ist und zur Befestigung des sogenannten Kastenbajonetts dient. An älteren Gewehrmodellen ist diese Schiene seitlich am Gewehr angebracht und dient zur Befestigung des Aufsteckdorns bei Dornbajonetten.

Die Bajonetthaft, auch Bajonettwarze oder Aufpflanznut ist eine auf dem Gewehrlauf befestigte Nocke und rund- oder vierkantig ausgeführt. Diese Nocke dient der Arretierung des älteren Tüllenbajonetts. Die Nocke passt in die Führungsrille des Bajonetts und arretiert es am Lauf. Es gibt noch weitere Versionen, die bei modernen Bajonetten benutzt werden. Bei manchen modernen Bajonetten befindet sich am Heft der Arretierknopf, mit dem die Verriegelung wieder gelöst werden kann.[2] Moderne Bajonette haben in der Regel eine Aufpflanznut am Heftknauf und einen Ring (Laufring) in der Parierstange, der über den Lauf gesteckt wird.

Name, Herkunft und Entstehung

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Der Name Bajonett ist auf den ursprünglichen Herstellungsort, die französische Stadt Bayonne, zurückzuführen.[3] Ein früher verwendeter Begriff war Seitengewehr oder auch Seitenwehr.[4] Diese Bezeichnung ist aber nicht mit dem Begriff Seitenwaffe zu verwechseln, obwohl Herkunft und Bedeutung der Waffe und die Wortbedeutung gleich oder ähnlich ist.

Herkunft und Entstehung

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Der Ursprung des Bajonetts ist nicht eindeutig geklärt. Es kann als Jagdwaffe entstanden sein, um angreifende Tiere nach einem Fehlschuss abzuwehren oder es, nachdem es weidwund angeschossen wurde, durch Abfangen zu töten.

Im Brockhaus’ Konversations-Lexikon, Ausgabe von 1901 findet sich ein Abschnitt: »Bajonett (frz. baionette), eine mäßig lange Klinge, die am Lauf des Gewehres so befestigt wird, dass dieses sich in eine Stoßwaffe verwandelt. Der Gebrauch dieser Waffe tritt zuerst gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts in der französischen Armee auf und geht aus dem Bestreben hervor, die mit dem Feuergewehr bewaffneten Schützen zur Verteidigung gegen die Reiterei geschickt und somit von dem Schutze der Pikeniere unabhängig zu machen… In den französischen Kriegen wurde die Bajonettattacke allgemein. Gegenwärtig wird sie zwar noch geübt, ihre Anwendung wird sich aber auf Ausnahmefälle beschränken.«[5]

Der deutsche Gesellschaftstheoretiker Friedrich Engels schrieb im September 1857 in der New American Cyclopædia: »Diese Waffe, jetzt allgemein für die ganze Linieninfanterie eingeführt, ist, wie man annimmt, in Frankreich (offensichtlich in Bayonne, wonach sie benannt ist) um 1640 erfunden worden. Nach anderen Berichten übernahmen sie die Holländer von den Malayen, die ihren Kris oder Dolch auf ihre Flinte pflanzten. In Frankreich wurde das Bajonett 1679 eingeführt. Bis zu dieser Zeit hatten die Musketiere keine wirksame Waffe für den Nahkampf, und man mußte ihnen daher Pikeniere zuteilen, damit sie vor einem nahen Feind geschützt waren. Das Bajonett befähigte die Musketiere, der Kavallerie oder den Pikenieren Widerstand zu leisten und verdrängte so allmählich die letztere Waffengattung. Ursprünglich war es an einem Stock befestigt, der in den Flintenlauf eingeführt wurde; aber da es so den Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett am Schießen hinderte, wurde später der Zylinder, der den Gewehrlauf umschließt, erfunden. Die Pike selbst blieb noch über ein halbes Jahrhundert lang als Infanteriewaffe erhalten. Die Österreicher waren die ersten, die sie für ihre ganze Linieninfanterie gegen die Flinte und das Bajonett vertauschten. Die Preußen folgten im Jahre 1689. Die Franzosen schafften die Pike erst 1703 völlig ab, die Russen nicht vor 1721. Die Schlacht von Speyer im Jahre 1703 war die erste, in der die Infanterie mit aufgepflanzten Bajonetten zum Angriff vorging. Für die leichte Infanterie ist das Bajonett jetzt im allgemeinen durch eine kurze, gerade und dolchartige Klinge ersetzt worden, die in einer Schiene seitwärts der Mündung des Gewehrs befestigt werden kann. Natürlich ist es so weniger gut befestigt, da aber diese Art der Infanterie nur in Ausnahmefällen in Linien zum Einsatz kommt, wird dieser Mangel durch die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten dieser Waffe ausgeglichen.«[6]

Historisch-technische Entwicklung

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Erste Erwähnungen

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Eine sehr frühe dokumentierte Erwähnung eines echten Bajonetts findet sich in der 1606 veröffentlichten chinesischen Militärabhandlung. Es handelte sich um ein etwa 58 cm langes Spundbajonett, mit dem ein Hinterladergewehr ausgestattet wurde, was der Waffe mit aufgesetztem Bajonett eine Gesamtlänge von 1,92 m verlieh. Es wurde als „Gewehrklinge“ (vereinfachtes Chinesisch: 铳刀; traditionelles Chinesisch: 銃刀; Pinyin: Chòngdāo) bezeichnet und als „Kurzschwert, das in den Lauf eingeführt und durch leichtes Drehen gesichert werden kann“ beschrieben. Es sollte verwendet werden, „wenn im Gefecht sowohl Schießpulver als auch Kugeln aufgebraucht sind, sowie im Kampf gegen Banditen, wenn sich Truppen im Nahkampf befinden oder in einen Hinterhalt geraten“ und wenn man „das Gewehr nicht innerhalb der Zeit laden kann, die es braucht, um zwei Bu (3,2 Meter) Boden zurückzulegen, muss man das Bajonett anbringen und es wie einen Speer halten“.[7][8]

Der erste schriftliche Nachweis im deutschsprachigen Raum für die Verwendung eines Dolches als in den Lauf gestecktes Bajonett stammt aus dem Zeughaus zu Dresden aus dem Jahr 1669. Dort ist es beschrieben als "zu den Musqueden gehöriges Messer". Später wurden die Bajonette unter dem Gewehrlauf angebracht, um auch feuern zu können, während das Bajonett am Gewehr angebracht ist.[9]

17. und 18. Jahrhundert

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Bajonette wurden seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich verwendet und wurden allmählich in den meisten europäischen Armeen gebräuchlich. Anfangs wurden Bajonette mit dem Griff in den Gewehrlauf gesteckt (so genannte Spundbajonette), so dass die Muskete nicht feuern konnte. Bereits 1669 erfand Sébastien Le Prestre de Vauban Bajonette, die mit einer Tülle seitlich am Lauf befestigt wurden – sogenannte Tüllen- oder Dillenbajonette – und somit auch im aufgepflanzten Zustand das Abfeuern von Musketenkugeln nicht verhinderten. Mit diesen neuartigen Bajonetten wurde die französische Armee seit 1689 ausgestattet. Etwa um 1700 tauchten Bajonette auf, die einen abgewinkelten Arm besaßen und so auch das Nachladen ermöglichten. Zur wichtigsten Klingenform entwickelte sich bald eine stabile, drei- oder vierkantige Form mit etwa 40 cm Länge.

Die Entwicklung des Bajonetts und die zunehmende Verbreitung von Feuerwaffen ließen den Einsatz von Pikenieren und Schweinsfedern in der Schlacht allmählich zurückgehen. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts wurden die Pikenier-Einheiten der meisten europäischen Armeen aufgelöst.

19. Jahrhundert

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Ab dem 19. Jahrhundert wurde das Tüllenbajonett schrittweise von Bajonetten abgelöst, die eigene Griffe hatten – sogenannte Messer- oder Säbelbajonette – und wie Messer, kurze Pallasche oder Säbel beschaffen waren. Vorgänger derselben waren im 18. Jahrhundert aufpflanzbare Hirschfänger, die wie diese mittels eines seitlichen Rings am Rohr fixiert wurden. Da solche Waffen aber das Nachladen des Vorderladers verhinderten, setzten sie sich erst mit Einführung des Hinterladers endgültig durch. Doch bereits 1840 wurde der doppelt gekrümmte französische Jatagan mit ca. 60 cm Klingenlänge vorbildhaft. Bekannt ist auch das gerade, vorn verbreiterte, etwa 50 cm lange (Klinge) preußische Füsilierseitengewehr von 1860.

Erster und Zweiter Weltkrieg

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Deutsche Soldaten beim Üben des Bajonettfechtens (1914)
 
Britischer Soldat mit aufgepflanztem Bajonett während einer Übung (1941)

Im Ersten Weltkrieg waren Bajonette noch bis zu 50 cm lang. Teilweise kam es auch noch zum Bajonettfechten. Aber bereits bei den Grabenkämpfen der Sturmtruppen erwiesen sich Gewehre mit aufgepflanztem Bajonett als zu unhandlich, und das Bajonett wurde als Nahkampfwaffe durch den feststehenden Feldspaten abgelöst. Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg wurde der Grabendolch in den Grabenkämpfen als Nahkampfwaffe benutzt.

Deutsche Bajonette wurden Mitte der 1930er Jahre mit einem S-Code gekennzeichnet, um die Hersteller zu verschleiern. Ab etwa 1937 verzichtete man auf die Heimlichkeit und kennzeichnete Bajonette auf der Fehlschärfe mit voll ausgeschriebenem Hersteller und Jahreszahl auf dem Klingenrücken. Nach Kriegsbeginn wurde ab 1940 ein Drei-Buchstaben-Code zur Kennzeichnung des Herstellers mit den zwei Endziffern des Herstellungsjahres auf die Fehlschärfe gestempelt.

Mit der Entwicklung des Seitengewehrs 42 (SG42) mit Griffbügel durch die Firma Eickhorn aus Solingen und dessen Einführung in die Wehrmacht setzte eine weltweite Entwicklung vom Bajonett als bloße Hieb- und Stichwaffe hin zum aufpflanzbaren Mehrzweckmesser (Säge, Drahtschneider) mit Schlagring ein.

Über den Wert des Bajonetts im Kampf gab es bis weit in das 20. Jahrhundert hinein Diskussionen. Die teils prominenten Befürworter wurden durch die Entwicklungen im amerikanischen Sezessionskrieg und im Ersten Weltkrieg widerlegt. In den Stellungskämpfen des Zweiten Weltkriegs kamen Bajonette zwar noch auf nahezu allen Kriegsschauplätzen zum Einsatz, teilweise auch mit Erfolg. Häufiger jedoch wurden Bajonettangriffe unter erheblichen Verlusten insbesondere durch Maschinengewehrfeuer abgewiesen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bis Gegenwart

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Unterschiedliche Montage von Ba­jonetten auf modernen Sturmgewehren (Längenangaben ohne Bajonett)

In der Nachkriegszeit wurden die Bajonette immer kürzer und handlicher – heute werden Bajonette nur noch selten als Standard-Blankwaffe der Infanterie ausgegeben, sind aber nach wie vor mögliches Zubehör von Sturmgewehren, und haben die Größe und das Gewicht handelsüblicher Haushaltsmesser. Meist werden nur noch Kampfmesser ausgegeben. Blankwaffen haben jedoch nur noch eine sehr untergeordnete Bedeutung.

Noch im Falklandkrieg von 1982 und im frühen 21. Jahrhundert beim Krieg in Afghanistan seit 2001 und bei der Besetzung des Irak 2003–2011 kamen vereinzelt Bajonette zum Einsatz.[10]

In einigen Streitkräften wird das Bajonett noch geführt und auch Bajonettnahkampf ausgebildet. Das Bajonett verändert aufgepflanzt aber den Haltepunkt der Waffen beim Schuss.

Die deutsche Bundeswehr verwendet(e) keine Bajonette, obwohl mehrere Versionen für das G3 entwickelt wurden.

Das seit 1997 eingeführte G36 verfügt serienmäßig über eine Bajonetthalterung, spezielle Bajonette wurden jedoch nicht entwickelt. Das aus Kostengründen vorübergehend von der NVA als „Kampfmesser, schwer“ übernommene AKM-Bajonett Typ II (M 74 und M 74/2) musste am Haltering modifiziert werden, um ohne Entfernen des Mündungsfeuerdämpfers aufgepflanzt werden zu können. Dazu wurde der originale Haltering durch einen anderen mit größerem Durchmesser ersetzt. Außerdem wurde die lederne Gürtelhalterung durch eine neue aus Kunstfasern und Plastik ersetzt, welche mit dem Bundeswehr-Tragesystem Soldat 95 kompatibel ist. Diese Änderung wurde nicht offiziell, sondern in Privatinitiative in begrenzter Stückzahl durchgeführt.

Eickhorn entwickelte ohne behördlichen Auftrag unter der Bezeichnung SG2000 (Seitengewehr) ein Bajonett für das G36. Es hat die modifizierte Tantōklinge des KM 2000 und wird mit (als SG2000 WC; englisch Wire Cutter, für Drahtschneider) und ohne Drahtschneidefunktion angeboten.

Im April 2010 stellte die United States Army die traditionelle „choreographische“ Ausbildung ihrer Rekruten am Bajonett in der Grundausbildung ein, da sie den herkömmlichen Bajonettangriff als zunehmend irrelevant für ihr Aufgabenprofil ansieht. Dennoch soll das Bajonett neben dem Kampfmesser in einer modifizierten Nahkampfausbildung weiterhin seinen Platz haben. Das US-Marine-Corps behielt die Ausbildung am Bajonett (mit dem Pugil stick) bei.[11]

  • Bild 1: Mehrzweckbajonett M1959 der Nationalen Volksarmee der DDR für die AKM (modernisierte AK-47) mit Drahtschneide-Funktion
  • Bild 2: Bajonett und Scheide für das deutsche Sturmgewehr "HK G3". Das Bajonett wurde nie an die Truppe ausgegeben, war aber in den frühen 1980ern durchaus "im sog. Kasernen-Bestand"
  • Bild 3: das britische L3A1 bayonet, das zentral auf den Lauf gesteckt wird. Der Griff ist innen hohl und vorne zur Schussabgabe offen, die Klinge seitlich versetzt
  • Bild 4: Bajonett OKC-3S der US-Marines, bildet einen fließenden Übergang zum Kampfmesser
  • Bild 4: Das aktuelle M-9-Bajonett der US-Army in verschiedenen Ausführungen

Das Bajonett im militärisch-taktischen Einsatz

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Napoleonische Kriege

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Ein Bajonettangriff während der Schlacht bei Großbeeren (1813)

Während der Koalitionskriege (1792 bis 1815) war der Bajonettangriff eine gängige Taktik. Trotz seiner Wirksamkeit verursachte ein Bajonettangriff nicht unbedingt erhebliche Verluste durch den Einsatz der Waffe selbst. Detaillierte Schlachtverlustlisten aus dem 18. Jahrhundert zeigten, dass in vielen Schlachten weniger als 2 % aller behandelten Wunden durch Bajonette verursacht wurden.[12] Der Schweizer Militärtheoretiker und General Antoine-Henri Jomini, der während der zu Zeiten Napoleons in zahlreichen Armeen diente, gab an, dass die meisten Bajonettangriffe damit endeten, dass eine Seite floh, bevor es zu einem direkten Aufeinandertreffen kam. Bajonett-Gefechte kamen zwar vor, aber meist in einem kleineren Maßstab, wenn gegnerische Einheiten in einem begrenzten Umfeld aufeinandertrafen, wie etwa beim Sturm auf Befestigungen oder bei Hinterhaltsgefechten in unwegsamem Gelände.[13] In einer Zeit, in der Gliedweises Feuern die Haupttaktik darstellte, war die Bedrohung durch das Bajonett im Vergleich zum eher zufälligen – unwahrscheinlichen – Treffer durch die Musketenkugel (vor allem bei größerer Distanz) viel greifbarer und unmittelbarer. Diese Denkweise brachte die Männer dazu, oft zu fliehen, bevor die Linien wirklich aufeinandertrafen. Daher war das Bajonett eine äußerst nützliche Waffe, um dem Feind gegenüber Boden gut zu machen, obwohl es selten tatsächlich eingesetzt wurde, um Verletzungen zuzufügen.

Amerikanischer Bürgerkrieg

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Ein Bajonettangriff während der dritten Schlacht von Petersburg, (1865)

Im Sezessionskrieg (1861–1865) war das Bajonett für weniger als 1 % der Verluste auf dem Schlachtfeld verantwortlich,[14] – dieser Umstand ist ein deutliches Zeichen der aufkommenden „modernen Kriegsführung“. Das Ausführen von Bajonettangriffen, um den Feind zum Rückzug zu zwingen, war im amerikanischen Bürgerkrieg bei zahlreichen Gefechten kleiner Einheiten auf kurze Distanz sehr erfolgreich, da die meisten Truppen beim Nachladen zurückwichen. Obwohl solche Angriffe nur wenige Verluste verursachten, entschieden sie oft über kurze Gefechte und die taktische Besetzung wichtiger Positionen auf dem Gefechtsfeld. Darüber hinaus konnten Bajonettübungen eingesetzt werden, um Männer zu disziplinieren und zu sammeln, die durch feindliches Feuer vorübergehend verunsichert (entnervt) waren.[15]

Während die Unionsarmeen die Schlacht von Gettysburg aufgrund der Geländebeschaffenheit und des massiven Artilleriefeuers insgesamt gewannen, war ein entscheidender Moment am zweiten Tag der Schlacht ein Bajonettangriff am Little Round Top, als Joshua Lawrence Chamberlains 20. Maine Volunteer Infantry Regiment, dem die Musketenmunition ausging, den Hügel hinunterstürmte und viele der überlebenden Soldaten des 15. Alabama Infantry Regiments und anderer konföderierter Regimenter überraschte und gefangen nahm. Weitere Bajonettangriffe fanden am 2. Juli bei Gettysburg statt, von Unions-General Winfield Scott Hancock aus Verzweiflung angeordnet, um den Vormarsch einer konföderierten Brigade lange genug zu verzögern, um Verstärkung für die durchlöcherte Unionslinie auf Cemetery Ridge heranzuholen. Ein weiterer Bajonettangriff wurde am späten Abend des 2. Juli vom 137. New York Infantry Regiment durchgeführt, das die äußerste rechte Flanke der Unionslinie auf Culp's Hill verteidigte. Durch den Angriff mehrerer Kompanien gelang es, den Vormarsch des Gegners so lange aufzuhalten, bis Verstärkung auf die rechte Seite des Regiments vordringen und den Angriff abwehren konnte.

Erster Weltkrieg

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Bajonettangriff der französischen Infanterie mit veralteten Lebel-Gewehren von 1886 im Jahr 1913

Mit dem Aufkommen der modernen Kriegsführung im 20. Jahrhundert wurden Bajonettangriffe zu fragwürdigen Unternehmungen. Während der Belagerung von Port Arthur (1904–1905) setzten die japanischen Truppen eine, als Menschliche Welle bezeichnete Angriffs-Taktik gegen russische Artillerie- und Maschinengewehr-Stellungen ein[16] und erlitten dabei massive Verluste.[17][18] Ein weit verbreitetes, geläufiges Bild der Kämpfe im Ersten Weltkrieg ist das einer Welle von Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten, die über den Rand des Schützengraben stürmen und durch das Niemandsland in einen feindlichen Feuerhagel rennen. Obwohl dies zu Beginn des Krieges die Standardmethode des Kampfes war, war sie selten erfolgreich. Die britischen Verluste am ersten Tag der Schlacht an der Somme waren die höchsten in der Geschichte der britischen Armee: 57.470 Verluste, davon 19.240 Gefallene.[19][20]

Vor allem an der Westfront war das Niemandsland oft Hunderte von Metern breit.[21] Das Gebiet war normalerweise durch die Kriegshandlungen verwüstet und mit Kratern von Artillerie- und Mörsergranaten übersät und manchmal durch Chemische Waffen verseucht. Von beiden Seiten wurde es schwer durch Maschinengewehre, Granatwerfer, Artillerie und Scharfschützen verteidigt, oft war es zusätzlich mit Stacheldraht und Landminen gesichert und übersät mit verwesenden Leichen. Ein Bajonettangriff durch dieses Gelände führte oft zur völligen Vernichtung ganzer Bataillone.

Zweiter Weltkrieg

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Soldaten der Kaiserlich Japanisch­en Armee motivieren sich mit Banzai-Rufen vor einem Angriff

Während des Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges konnten die Japaner noch einmal mit gut vorbereiteten Bajonettangriffen effektiv gegen die schlecht organisierten und nur mangelhaft bewaffneten chinesischen Truppen Erfolge erzielen. diese Attacken wurden zu einer anerkannten Militärtaktik, mit der japanische Streitkräfte größere chinesische Streitkräfte routinemäßig in die Flucht schlagen konnten.[22]

Im Zweiten Weltkrieg, während der Anfangsphase des Pazifikkriegs (1941–1945) konnte ein plötzlicher Bajonettangriff noch unvorbereitete feindliche Soldaten überwältigen. Solche Angriffe wurden von den alliierten Streitkräften nach dem japanischen Schlachtruf „Banzai-Angriffe“ genannt. Gegen Ende des Krieges richtete ein Banzai-Angriff gegen die gut organisierten und schwer bewaffneten US-Truppen nur noch wenig Schaden an, verursachte aber im Gegenzug enorme japanische Verluste. Er wurde manchmal als letztes Mittel von kleinen Gruppen überlebender Soldaten durchgeführt, wenn die Hauptschlacht bereits verloren war. Ein Grund für diese Gyokusai“ („zerbrochenes Juwel“) genannte Form des Massenselbstmordes war, der ehrlosen Gefangenschaft zu entgehen.

Einige japanische Kommandeure, wie General Tadamichi Kuribayashi, erkannten die Sinnlosigkeit und Verschwendung solcher Angriffe und verboten ihren Männern ausdrücklich, sie durchzuführen. Tatsächlich waren die Amerikaner überrascht, dass die Japaner in der Schlacht um Iwo Jima keine Banzai-Angriffe durchführten.[23]

Sonstiges

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  • Die Bezeichnung ''Bajonettverschluss'' geht auf die Form und Ausgestaltung der Arretierungsvorrichtung auf den alten Tüllenbajonetten zurück.
  • Als „Bajonett-Stellung“ bezeichnet man eine Form der Frakturdislokation, bei der die beiden Knochenfragmente nebeneinander zum Liegen kommen.[24]
  • Bajonettangriff“ heißt ein seit 1990 populärer Spielzug im Klassischen System beim Schach

Siehe auch

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Literatur

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  • Sebastian Thiem: Verlängerte Gewehre. Jagdliche und militärische Verwendung der Spundbajonette, in: DWJ (früher: Deutsches Waffenjournal) 7/2015, S. 88–93
  • John Norris: Fix Bayonets! Pen & Sword Military, 2016, ISBN 978-1-78159-336-3.
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Commons: Bajonett – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Bajonett – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Seitengewehr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Bajonett beim Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache
  2. Gerhard Seifert: Fachwörter zur Blankwaffenkunde. Selbstverlag, Haiger 1981, OCLC 635357001. Online auf seitengewehr.de (Memento vom 13. Januar 2012 im Internet Archive)
  3. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Walter de Gruyter, Berlin/New York, ISBN 978-3-11-022364-4
  4. Duden | Seitengewehr | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 13. September 2024.
  5. MP-Bajonette. Abgerufen am 14. September 2024.
  6. Friedrich Engels - Bajonett. Abgerufen am 14. September 2024.
  7. SCIENCE AND CIVILISATION IN CHINA, by Joseph Needham, Volume 5
  8. Binglu 《兵錄》, Scroll 12.
  9. Wendelin Boeheim: Handbuch der Waffenkunde. Das Waffenwesen in seiner historischen Entwickelung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. E. A. Seemann, Leipzig 1890, ISBN 3-8262-0212-0, S. 498, 500 (Textarchiv – Internet Archive – Erstauflage bis 2016 mehrfach nachgedruckt).
  10. Bayonets, Obama and the art of the pointed political comment (Englisch) auf theguardian.com, einige Beispiele in zweiter Artikelhäfte
  11. Michael Evans: US Army thrusts bayonet aside after centuries of faithful service. In: The Times. 18. März 2010, abgerufen am 8. April 2010.
  12. John A. Lynn, Giant of the Grand Siècle: The French Army, 1610–1715. Cambridge: Cambridge UP, 1997 ISBN 978-0521572736
  13. Antoine Henri Jomini. The Art of War. Westport, CT: Greenwood, 1971. ISBN-10 160459358X
  14. Robert L. O'Connell, "Arme Blanche", Military History Quarterly, Ausgabe 5, Nr 1. + Robert L. OConnell "Of Arms and Men – A History of War Weapons and Aggression" Oxford University Press USA
  15. The Bloody Crucible of Courage: Fighting Methods and Combat Experience of the Civil War
  16. John H. Miller, (2014). American Political and Cultural Perspectives on Japan: From Perry to Obama. Lexington Books. Seite 41 +ff. ISBN 978-0-7391-8913-9
  17. Robert B. Edgerton, (1997). Warriors of the Rising Sun: A History of the Japanese Military. Norton. Seite 167 +ff. ISBN 978-0-393-04085-2
  18. Robert L. O’Connell; John H. Batchelor (2002). Soul of the Sword: An Illustrated History of Weaponry and Warfare from Prehistory to the Present. Simon and Schuster. Seite 243 +ff. ISBN 978-0-684-84407-7
  19. J. E. Edmonds, (1932). Military Operations France and Belgium, 1916 Seite 483
  20. R. Prior; T. Wilson, (2005). The Somme. Yale University Press. ISBN 0-300-10694-7.
  21. John Hamilton (2003), Trench Fighting of World War I, ABDO, Seite 8, ISBN 978-1-57765-916-7
  22. Carmichael, Cathie; Maguire, Richard C. (1 May 2015). The Routledge History of Genocide. Routledge. ISBN 9781317514848
  23. Derrick Wright, The Battle for Iwo Jima (2006). Sutton Publishing. Seite 80.
  24. Medizinexpert*innen bei DocCheck: Bajonett-Stellung. Abgerufen am 13. September 2024.