Niraparib

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Strukturformel
Strukturformel von Niraparib
Allgemeines
Freiname Niraparib
Andere Namen

2-{4-[(3S)-3-Piperidyl]phenyl}indazol-7-carboxamid

Summenformel C19H20N4O
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 1038915-60-4
EG-Nummer (Listennummer) 685-112-3
ECHA-InfoCard 100.210.548
PubChem 24958200
DrugBank DB11793
Wikidata Q25326660
Arzneistoffangaben
ATC-Code

L01XK02

Wirkstoffklasse

PARP-Inhibitoren

Eigenschaften
Molare Masse 320,39 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​400
P: 264​‐​270​‐​273​‐​301+312​‐​330​‐​391​‐​501[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Niraparib ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der PARP-Inhibitoren, der zur oralen Behandlung von bestimmten Formen des Ovarialkarzinoms (Eierstockkrebs), Tubenkarzinoms (Eileiterkrebs) oder Peritonealkarzinoms (Bauchfellkrebs) eingesetzt wird (Handelsname Zejula; Zulassungsinhaber GlaxoSmithKline). In fester Kombination mit Abirateron (Handelsname Akeega, Janssen) wird er zur Behandlung von metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs (mCRPC) verwendet.

Zulassung und Hintergrund

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Ovarialkarzinom

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Die Europäische Kommission (EC) erteilte im November 2017 die Zulassung für Zejula in der Europäischen Union (EU). Niraparib ist der erste in Europa zugelassene orale, einmal täglich einzunehmende Poly (ADP-Ribose)-Polymerase (PARP) 1/2-Inhibitor, für den keine Testung des BRCA-Mutationsstatus oder eine andere Biomarkertestung erforderlich ist.[2]

Europa weist mit etwa 45.000 jährlich neudiagnostizierten Frauen eine der höchsten Inzidenzen von Ovarialkarzinomen in der Welt auf.[3][4] Das Ovarialkarzinom betrifft etwa 1,3 von 10.000 Frauen in der Europäischen Union, wo es die sechsthäufigste Krebsart bei Frauen und die fünfhäufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen ist.[4][5] Trotz der hohen initialen Ansprechraten auf platinbasierte Chemotherapien, tritt bei etwa 85 % der Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom ein Rezidiv nach der Erstlinienbehandlung auf. Die Wirksamkeit der Chemotherapien nimmt auch mit steigender Therapielinie ab.

Die FDA hatte Zejula im März 2017 für den US-Markt zugelassen.[6][7] Vorausgegangen war eine FDA Fast Track Designation, was den Zulassungsprozess wesentlich beschleunigte.[8]

Prostatakarzinom

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In der EU wurde im April 2023 und in den USA im August 2023 die fixe Kombination von Niraparib plus Abirateron als Akeega zur Behandlung von mCRPC (metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom, metastatic Castration-resistent Prostate Carcinoma) zugelassen.[9][10]

Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern in Europa und in den USA.[11] Für Patienten im zum metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) fortgeschrittenen Stadium beträgt die Gesamtüberlebenszeit durchschnittlich 13 Monate.[12] Eine vorliegende BRCA-Genmutationen erhöht die Wahrscheinlichkeit eines aggressiven Krankheitsverlaufs, eines schlechten Ausgangs und einer kürzeren Überlebenszeit.[13] Etwa 20 bis 30 Prozent der Männer mit einem mCRPC haben eine ererbte und/oder somatische Mutation in den BRCA-Genen.[14]

Anwendungsgebiete

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In der EU beinhalten die zugelassenen Anwendungsgebiete die Monotherapie zur Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patientinnen

  • mit fortgeschrittenem epithelialem (FIGO-Stadien III und IV) high-grade Karzinoms der Ovarien, der Tuben oder mit primärem Peritonealkarzinoms, die nach einer Platin-basierten Erstlinien-Chemotherapie ein vollständiges oder partielles Ansprechen zeigen[15] oder
  • mit Rezidiv eines Platin-sensiblen, high-grade serösen epithelialen Karzinoms der Ovarien, der Tuben oder mit primärem Peritonealkarzinom, die sich nach einer Platin-basierten Chemotherapie in Remission (vollständig oder partiell) befinden.[15]

Niraparib wird auch in der Indikation eines bestimmten Prostatakrebses angewendet. Die Anwendung erfolgt oral als „Doppel-Wirkstoff-Tablette“ (Niraparib plus Abirateron) bei gleichzeitiger Gabe von Prednison oder Prednisolon und dient der Behandlung von erwachsenen Patienten mit BRCA1/2-Mutationen und Prostatakrebs, der sich auf andere Teile des Körpers ausgebreitet hat (Metastasierung) und wenn die medizinische oder chirurgische Behandlung zur Senkung des Testosteronspiegels (Kastration) nicht wirksam war.[16]

Unerwünschte Wirkungen

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Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Zejula sind Thrombozytopenie (34 %), Anämie (25 %), Neutropenie (20 %) und Hypertonie (8 %). Nach individueller Dosisanpassung war die Inzidenz von Grad 3/4 Thrombozytopenie gering und lag nach drei Monaten bei 2,4 %. Der Großteil der hämatologischen Nebenwirkungen ließ sich durch Dosismodifikationen gut handhaben. Die Rate an Therapieabbrüchen aufgrund von Thrombozytopenie, Neutropenie und Anämie lag bei 3 % bzw. 2 % und 1 %.[2]

Wirkungsmechanismus

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PARP-Inhibitoren sind Hemmstoffe des Enzyms Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) und verhindern, dass Krebszellen einen durch Zytostatika induzierten DNA-Schaden reparieren. PARP-Inhibitoren kommen deshalb primär als Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie infrage.

Sonstige Informationen

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Orphan Drug Status

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Im April 2010 und im August 2010 war Niraparib seitens der FDA resp. der EC der Orphan Drug Status für die Behandlung seltener Krankheiten gewährt worden.[17][18]

Das National Comprehensive Cancer Network (NCCN) hat Niraparib in die Behandlungsleitlinien des Ovarialkarzinoms Version 1.2017 (April 2017) als Erhaltungstherapie für Patientinnen mit platinsensitiver Erkrankung, die ein partielles oder komplettes Ansprechen nach Beendigung von zwei oder mehr Linien platinbasierter Chemotherapie aufgenommen.[19]

Die EU-Zulassung von Niraparib basiert auf den Daten der klinischen Studie ENGOT-OV16/NOVA, einer doppelblinden, placebokontrollierten, internationalen Phase-3-Studie mit Niraparib, an der 553 Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom teilnahmen, die auf ihre letzte Platin-basierte Chemotherapie vollständig oder partiell angesprochen hatten. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Etwa zwei Drittel der Patientinnen wiesen keine BRCA-Keimbahnmutation auf. Die Progression wurde in der NOVA-Studie durch einen unabhängigen zentralen Review der radiologischen oder klinischen Progression beurteilt.

Zejula verlängerte das PFS gegenüber dem Kontrollarm bei Frauen mit und ohne BRCA-Keimbahnmutation signifikant. Das Risiko für eine Krankheitsprogression oder Tod wurde durch Zejula bei Frauen mit BRCA-Keimbahnmutation um 73 % (HR 0,27) und bei Frauen ohne BRCA-Keimbahnmutation um 55 % verringert (HR 0,45). Nach zwei Jahren unter Niraparib waren noch 42 % der Frauen mit BRCA-Keimbahnmutation ohne Krankheitsprogression gegenüber 16 % der Frauen, die ein Placebo bekommen hatten. Patientinnen mit zu Studienbeginn partiellem oder vollständigem Ansprechen auf die Chemotherapie profitierten in gleichem Maße.

Die vollständigen Ergebnisse der ENGOT-OV16/NOVA-Studie wurden im Oktober 2016 auf dem Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) in Kopenhagen vorgestellt.[20] Die Daten wurden zeitgleich im New England Journal of Medicine publiziert.[21][22]

Der frühere Zulassungsinhaber Tesaro hat ein umfangreiches Niraparib-Studienprogramm aufgestellt, indem die Aktivität von Niraparib über mehrere Krebsarten hinweg bewertet werden soll. Außerdem werden mehrere mögliche Kombinationen von Niraparib mit anderen Therapeutika evaluiert. Das Entwicklungsprogramm für Niraparib umfasst eine Phase-3-Studie mit Patienten, die eine Erstlinientherapie zur Behandlung von Eierstockkrebs (PRIMA-Studie) erhalten haben, und eine Phase-2-Zulassungsstudie bei Patienten, die mehrere Behandlungslinien für Eierstockkrebs (QUADRA-Studie) erhielten. In mehreren Kombinationsstudien, darunter Niraparib plus Pembrolizumab (TOPACIO-Studie) und Niraparib plus Bevacizumab (AVANOVA-Studie), werden weitere Anwendungsgebiete untersucht.[2][23]

Tesaro ging 2019 an GlaxoSmithKline (GSK) über.[24]

Auslizenzierung

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Janssen Biotech hat die Rechte zur Entwicklung und Vermarktung von Niraparib speziell für Patienten mit Prostatakrebs weltweit – außer in Japan – lizenziert.[2]

Einzelnachweise

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  1. a b selleck.cn: MSDS, abgerufen am 27. Dezember 2019.
  2. a b c d TESARO Announces European Commission Approval of ZEJULA® for Women With Recurrent Ovarian Cancer (Memento vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive), PM TESARO vom 20. November 2017, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  3. World Cancer Research Fund International, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  4. a b EUCAN (EU, EEA and Switzerland) (Memento vom 5. Dezember 2017 im Internet Archive) Estimated incidence, mortality & prevalence, 2012, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  5. CDC Ovarian Cancer Statistics, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  6. Niraparib (ZEJULA), PM FDA vom 27. März 2017, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  7. TESARO Announces Availability of Zejula™ (Niraparib) for Patients With Recurrent Ovarian Cancer in the U.S., PM TESARO vom 19. April 2017, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  8. Niraparib Receives FDA Fast Track Designation for the Treatment of Recurrent Platinum-Sensitive Ovarian, Fallopian Tube, or Primary Peritoneal Cancer, PM ESMO vom 15. September 2016, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  9. Akeega – European Medicines Agency. In: ema.europa.eu. 2. Juni 2023, abgerufen am 31. August 2023 (englisch).
  10. FDA approves niraparib and abiraterone acetate plus prednisone for BRCA-mutated metastatic castration-resistant prostate cancer, PM der FDA vom 11. August 2023, abgerufen am 14. August 2023.
  11. Axel S. Merseburger, Joaquim Bellmunt, Cheryl Jenkins, Chris Parker, John M. Fitzpatrick: Perspectives on Treatment of Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. In: Oncologist. 2013, Band 18, Nummer 5, S. 558–567 doi:10.1634/theoncologist.2012-0478.
  12. Rodney J. Scott, Anurag Mehta, Gabriel S. Macedo, Pavel Borisov, Ravindran Kanesvaran, Wafaa El Metnawy: Genetic testing for homologous recombination repair (HRR) in metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): challenges and solutions. In: Oncotarget. 2021, Band 12, Nummer 16, S. 1600–1614 doi:10.18632/oncotarget.28015.
  13. Helen Cavanagh, Katherine Rogers: The role of BRCA1 and BRCA2 mutations in prostate, pancreatic and stomach cancers. In: Hereditary Cancer in Clinical Practice. 2015, Band 13, Nummer 1 doi:10.1186/s13053-015-0038-x.
  14. Vanessa Henriques, Mike Wenzel, Melanie-Christin Demes, Jens Köllermann: Das metastasierte kastrationsresistente Prostatakarzinom. In: Pathologe. 2021, Band 42, Nummer 4, S. 431–441 doi:10.1007/s00292-021-00956-3.
  15. a b Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels: Zejula 100 mg Hartkapseln, EMA; abgerufen am 31. August 2023 (PDF).
  16. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels: Akeega Filmtabletten, EMA; abgerufen am 31. August 2023.
  17. Eintrag 306510 im Orphan Drug Designations and Approvals, FDA, abgerufen am 31. August 2023.
  18. EU/3/10/760: Orphan designation for the treatment of ovarian cancer, Europäische Arzneimittel-Agentur, abgerufen am 31. August 2023.
  19. NCCN Guidelines for Patients | Ovarian Cancer. 4. Dezember 2017, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 4. Dezember 2017 (englisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.nccn.org (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  20. Wang J et al. The Exposure-Response Relationship of Niraparib in Patients with gBRCAmut and Non-gBRCAmut: Results from the ENGOT-OV16/NOVA Trial. ESMO; 2017 Sep 8–12; Madrid, Spain.
  21. Mirza MR et al.: Niraparib Maintenance Therapy in Platinum-Sensitive, Recurrent Ovarian Cancer. In: New England Journal of Medicine. Nr. 375, 2016, S. 2154–2164, doi:10.1056/NEJMoa1611310.
  22. A Maintenance Study With Niraparib Versus Placebo in Patients With Platinum Sensitive Ovarian Cancer, clinicaltrials.gov, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  23. RESEARCH CENTER, TESARO Website, abgerufen am 4. Dezember 2017.
  24. GSK completes acquisition of TESARO, an oncology focused biopharmaceutical company, Pressemitteilung GSK, 22. Januar 2019.